Einen Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft hin zu einer „ökologischen Intensivierung“ hat der Direktor des Instituts für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Universität Kiel, Prof. Friedhelm Taube, gefordert.
Anstatt weiter auf Höchsterträge abzuzielen, müsse es künftig darum gehen, hohe Ertragsniveaus zu halten, diese jedoch mit deutlich verbesserten Umweltleistungen zu verknüpfen und so den ökologischen Fußabdruck je Tonne Weizen und je Liter Milch zu minimieren, sagte Taube auf dem Symposium „Wege zu einer nachhaltigen Stickstoffwirtschaft“ in Halle.
Angesichts der seit mehr als 20 Jahren stagnierenden Erträge bei Getreide und Raps hält Taube das bisherige Konzept der „nachhaltigen Ertragssteigerungen“ für gescheitert: „Wir sind auf einem so hohen Ertragsniveau angelangt, dass weitere Ertragssteigerungen im Klimawandel ohne derzeit nicht sichtbare Technologieschübe zu teuer werden - zu teuer für die Umwelt, aber auch für den Landwirt als Unternehmer.“
Für den Institutsdirektor ist nicht länger tolerierbar, dass der Stickstoffüberschuss je Hektar und Jahr nach wie vor rund 100 kg beträgt. Dies bedeute, dass die mineralische Stickstoffdüngung exakt dem Überschuss entspreche oder umgerechnet mehr als 200 000 LKW-Ladungen Kalkammonsalpeterdünger jährlich in Deutschland direkt oder indirekt die Gewässer, die Luft und das Klima belasteten.
Einen vielversprechende Strategie für eine ökologische Intensivierung sieht Taube in einer Rückkehr zu Gemischtbetrieben, allerdings in moderner Ausprägung, organisiert als „virtual mixed farming systems“ mit gemeinsamen Fruchtfolgen von Futterbau- und Marktfruchtbetrieben. Auf diese Weise würden die Vielfalt in Marktfruchtfolgen erhöht und damit die Ertragsstabilität sowie der Einsatz von Dünger und chemischen Pflanzenschutzmitteln reduziert.
„Wir werden den Grad der Spezialisierung bei den Ackerkulturen ein Stück weit zurückfahren müssen“, zeigte sich der Wissenschaftler überzeugt. Mais mit seiner optimalen Stickstoffnutzungseffizienz und Futterleguminosen mit höchsten Humuswirkungen und Proteinerträgen erhöhten so die Ökoeffizienz im Ackerbau. Über kurz oder lang werde auch die Milcherzeugung teilweise zurück in die Ackerbauregionen wandern müssen, so Taube.
Die Politik sei gefordert, diese notwendigen Entwicklungen zu flankieren, und zwar durch die Bindung von staatlichen Transferleistungen an messbare Gemeinwohlleistungen und eine Nachschärfung der Düngeverordnung über die Novellierung der Stoffstrombilanzverordnung.
Anmerkung der Redaktion
Der Stickstoffüberschuss von ca. 100 kg/ha ist der Saldo der „Nationalen Gesamt-Bilanz“. Es handelt sich hierbei nicht um den N-Saldo der Nährstoffbilanzen laut DüV. Die „Nationalen Gesamt-Bilanz“ stellt auf Bundesebene folgende Zu- und Abfuhren gegenüber:
Zufuhr:
- N-Zufuhren in Form von Mineraldünger
- Eigener im Betrieb anfallender Wirtschaftsdünger abzüglich Stall-, Lager- und Ausbringungsverluste
- extern erzeugten organischen Düngemitteln (SeRo-Dünger, importierte Wirtschaftsdünger)
- extern erzeugten, importierten Futtermitteln und Saatgut
- atmosphärische Depositionen
Abfuhr aller vermarkteten:
- tierischen Produkte
- pflanzlichen Produkte (bezogen auf gesamt LF in Deutschland)
Während sich die Zufuhr von Stickstoff seit 1993 wenig veränderte (etwa 190 kg N/ha*a), ist die Stickstoffabfuhr seit 1993 um rund 50 % (von knapp 70 auf etwa 100 kg N/ha*a) angestiegen. Daraus resultierte ein abnehmender Trend bei den Stickstoffüberschüssen. Dieser fällt für die letzten Jahre jedoch weniger deutlich aus. Insgesamt sind die Stickstoffüberschüsse nach wie vor zu hoch (siehe Abb.)
Im Zeitraum 1993 bis 2014 ist der Stickstoffüberschuss im gleitenden 5-Jahresmittel von 115 kg N/ha*a auf 97 kg N/ha*a gesunken. Zielwert der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie ist 70 kg/ha*a bis 2030. Die Abnahme zu Beginn der 1990er Jahre ist auf die Reduktion der Tierbestände in den neuen Bundesländern zurückzuführen. Seit 1993 lag der durchschnittliche jährliche Rückgang des Saldos bei rund 1 % und beruhte auf Effizienzgewinnen bei der Stickstoffnutzung (Ertragssteigerungen in der Pflanzenproduktion und höhere Futterverwertung bei Nutztieren).
Quelle: Umweltbundesamt