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Update Energieversorgung: Debatte um Atomkraftwerke

Als Ersatz für Gaskraftwerke bringen Politiker und Wissenschaftler neben Fracking auch die Kernkraft wieder ins Spiel. Energiewissenschaftler kritisieren die Debatte und fordern mehr Erneuerbare.

Lesezeit: 6 Minuten

Wir haben die politische Debatte um die Energieversorgungskrise in dieser Woche wieder zusammengefasst:

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Europäischer Gasreduktionsplan

Die EU-Energieminister haben in dieser Woche in Brüssel beschlossen, den Verbrauch fossilen Gases zwischen dem 1.8.2022 und dem 23.3.2023 um 15 % zu reduzieren. Den Beratungen des außerordentlichen Energieministerrats lag das am 20.07.2022 von der EU-Kommission vorgestellte Paket „Save gas for a safe winter“ zugrunde. Die politische Einigung sieht vor, dass die Mitgliedstaaten zunächst freiwillig ihre Gasnachfrage reduzieren. Sollten die Mitgliedstaaten auf EU-Ebene eine Alarmstufe ausrufen, soll diese Reduktion der Gasnachfrage gesetzlich verpflichtend werden.

Bürokratische Hürden für Industrie

Bei dem Umstieg von Erdgas auf andere Energieträger gibt es in Deutschland große bürokratische Hürden, bemängelt das Wirtschaftsministerium Rheinland-Pfalz. Will z.B. ein Industrieunternehmen zumindest temporär Gas durch einen anderen Energieträger wie Öl substituieren, bedarf dies in vielen Fällen einer Genehmigung, deren Erteilung bundesimmissionsschutzrechtliche Vorgaben entgegenstehen können. Ein seitens der Bundesregierung angekündigter Comfort Letter, der den Unternehmen und den Genehmigungsbehörden bei der Umrüstung Rechtssicherheit bieten soll, reicht aus Sicht des Wirtschaftsministeriums nicht aus, um viele der von den Unternehmen geplanten Umrüstungen schnell und rechtssicher zu verwirklichen. „Wir alle wollen und müssen Gas einsparen, um eine drohende Gasmangellage abzuwenden. Auch unsere Unternehmen zeigen großes Engagement und sehen im Fuel Switch, also dem Wechsel von Gas auf beispielsweise Öl, weitere große Einsparpotenziale. Dazu benötigen sie aber Rechtssicherheit. Der Bund muss hier dringend nachsteuern und schnelle Genehmigungen ermöglichen – und das zügig“, fordert die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt.

Söder für Fracking

„Die Schockwirkungen von Putins Stop-and-Go-Spiel können im Winter schlimm werden“, warnt der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Deutschland müsse nun darüber nachdenken, eigene Gaskapazitäten zu nutzen. „Fracking von gestern will keiner. Aber es ist sinnvoll zu prüfen, ob es neue und umweltverträgliche Methoden gibt“, zitiert das Blatt den Ministerpräsidenten. Er sieht vor allem in Niedersachsen „große Erdgasfelder“.

Stuttgarter Erklärung von Atombefürwortern

In der Debatte um die Versorgungssicherheit haben 20 Wissenschaftler rund um Prof. André Thess (Universität Stuttgart) und Harald Schwarz (BTU Cottbus-Senftenberg) in der „Stuttgarter Erklärung“ den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken gefordert. „Mit einseitiger Ausrichtung auf Sonne, Wind und Erdgas wurde Deutschland in Energienot manövriert. Steigende Energiepreise und sinkende Versorgungssicherheit gefährden Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand“, heißt es in dem Papier, das die Ersteller am 26. Juli 2022 beim Petitionsausschuss des Bundestages eingereicht haben. Das Festhalten am deutschen Atomausstieg verschärfe diese Gefahren und bremse – zusammen mit anhaltender Kohleverstromung – den internationalen Klimaschutz. Die Wissenschaftler plädieren wir für den Weiterbetrieb der deutschen Kernkraftwerke als dritte Klimaschutzsäule neben Sonne und Wind.

Rückenwind von der Politik

„Die Atomkraft ist grundlastfähig, sauber, sicher und günstig. Deshalb sollten wir die Atomkraft wieder einsetzen“, fordert auch Jan Bollinger, Landesvorsitzender der AfD in Rheinland-Pfalz im Südwestrundfunk (SWR). Bayerns Energieminister Hubert Aiwanger setzt ebenfalls auf Atomkraft: „Die erneuerbaren Energien Sonne und Wind bieten keine Grundlast. Dazu brauchen wir eben Kohle, Gas oder Atom, bis wir genügend grünen Wasserstoff haben.“ Er begrüßt den sich abzeichnenden Meinungsumschwung führender Grünen-Politiker, zumindest die Laufzeit des Atomkraftwerkes Isar 2 zu verlängern.

Als Regierungspartei fordert die FDP, dass die drei verbleibenden Atomkraftwerke in Deutschland auch über den 31.12.2022 hinaus weiterlaufen sollen, um Stromversorgungslücken zu vermeiden. Das sagte deren energiepolitischer Sprecher Lukas Köhler am Freitag im ARD- Mittagsmagazin. „Das hat das Gutachten ergeben, dass die Brennstäbe ja nicht Ende des Jahres einfach leer sind, sondern die können ja weiterlaufen. Und das macht anscheinend Sinn, das ist gerade in der Prüfung“, so Köhler.

Fakten werden ignoriert

„Die Debatte um einen Streckbetrieb der verbliebenen deutschen Atomreaktoren ist insgesamt von einer bemerkenswerten Unkenntnis geprägt“, kritisiert der Bundesverband Windenergie (BWE). Ignoriert werde, dass sich dadurch lediglich 0,6 bis 1 Prozent des Erdgases ersetzen ließen, sagt der Verband und verweist auf eine Auswertung des Analyse- und Beratungsunternehmens „Energy Brainpool“ im Auftrag der Genossenschaft "Green Planet Energy".

Die Analysten zeigen, dass bezogen auf den Erdgasverbrauch 2020 von 875 TWh der Weiterbetrieb der Kernkraftwerke im Jahr 2023 bis zu 8,7 TWh bzw. 1 % des jährlichen Erdgasverbrauchs in Deutschland einsparen. Das gilt, wenn alle drei Kernkraftwerke weiterbetrieben werden. Das ist Ergebnis des Vergleichs von stundenscharfen fundamentalen Strommarktmodellierungen. Im Falle des Weiterbetriebs nur eines Kernkraftwerkes reduziert sich der Effekt auf 0,4 % oder 3,1 TWh. Für 2024 weichen die Ergebnisse geringfügig ab. Die zu einem großen Teil wärmegeführte Stromproduktion von Gaskraftwerken können Kernkraftwerke nicht ersetzen, daher ist ihr Einfluss auf die Gasnachfrage auf die stromgeführten Gas-Spitzenlastkraftwerke begrenzt. So substituieren Kernkraftwerke im Modell vor allem Stromerzeugungen aus Braun- und Steinkohlekraftwerken und erhöhen Stromexporte.

Verdrängt wird laut BWE auch, dass Russland bei Uran eine Marktdominanz hat und die Hälfte der Brennmaterialen aus diesem Land stammt. Das zeigt der „Uranatlas“ mehrerer atomkraftkritischer Verbände.

Für die Versorgungssicherheit stelle die Atomkraft ebenfalls keine Lösung dar, wie der Blick nach Frankreich zeige, wo wegen schwerer technischer Mängel die Hälfte der Atomkraftwerke still stehe. Erneuerbarer Strom aus Deutschland stabilisiert laut BWE aktuell den französischen Energiesektor.

Mit den Mythen der Atomkraft setzt sich auch der neueste Newsletter der Agentur für Erneuerbare Energien auseinander.

Energiewissenschaftlerin kritisiert Debatte

Die Ökonomin Prof. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW) aus Berlin argumentiert in der neuen Folge von „Kemferts Klima-Podcast“, den der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) herausgibt: „Seit 20 Jahren sind es diese Debatten um vergangene Technik wie Fracking oder Atom, die uns aufhalten und nicht weiterbringen.“ Sie kritisiert, dass die „Gespensterdebatte“ Zeit und Energie koste, die dem konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien fehlen würden. „Besonders in Bayern, wo man die Windenergie deutlich ausbremst und nicht vorwärts bringen will, aber jetzt viel Energie reinsteckt in die Diskussion“, sagt die Energiewissenschaftlerin. Die Diskussion koste deshalb Zeit, weil eine Laufzeitverlängerung nicht nur eine Änderung des Atomgesetzes bedeuten würde, sondern auch neue Untersuchungen. So seien 13 Jahre lang keine betriebsdingten Prüfungen erfolgt, weil die Anlagen Ende des Jahres vom Netz gehen sollen. Der gesamte Aufwand sei die Mühe nicht wert, weil die Atomkraft derzeit in Deutschland lediglich 6 % des Stroms erzeuge. Sie fordert stattdessen, die vielen Erneuerbare-Energien-Anlagen in Deutschland, die derzeit in Genehmigungsverfahren sind, im Schnellverfahren zu realisieren. „Wir können auch in vier Monaten Flüssiggasterminals genehmigen, das müsste auch bei erneuerbare Energien gehen“, betont sie. Zudem fordert sie, bestehende Biomasseanlagen besser auszulasten.

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